Foto: Mirco Metzler/Die Knipser

Von der Öffentlichkeit unbemerkt habe die Stadt im vergangenen Jahr aufgrund des russischen Überfalls auf die Ukraine mehr Menschen als in der Flüchtlingskrise 2015/2016 aufgenommen, berichtete Waldemar Herder als Sozialdezernent der Stadt Worms bei einem Pressegespräch am frühen Montagnachmittag im Rathaus.
 
Damit verbunden ist allerdings, dass die begrenzten räumlichen Kapazitäten für Flüchtlinge der Lutherstadt voraussichtlich schon gegen Ende des Monats erschöpft sein dürften: 92 Prozent der 445 vorhandenen Plätze sind laut den beiden städtischen Mitarbeiterinnen Christine Ripier-Kramer und Andrea Weber bereits belegt. Und rund 1.500 Menschen stehen auf der Warteliste der Wohnungsbau GmbH Worms.
 
Notnagel Schulturnhalle
 
„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, kommentiert Herder die Situation. Darum greift die Verwaltung mit Oberbürgermeister Adolf Kessel im Rücken auf die Schulturnhalle in Heppenheim an der Wiese als Notnagel zurück. Schulleitung, Elternsprecher und Ortsvorsteher seien bereits informiert worden.
 
Im Vorfeld der gestrigen Informationsveranstaltung in der Vereinshalle der TSG Heppenheim äußerte Herder sein Bedauern, dass Schüler und Eltern mindestens kurzfristig auf die Halle verzichten müssen. Dort ist eine erneut eine provisorische Gemeinschaftsunterkunft für bis zu 50 männliche Flüchtlinge geplant.
 
Sportangebote werden verlegt
 
Die Angebote in der Schulturnhalle, speziell der Sportunterricht, werden nach Angaben des Bildungsdezernenten verlegt. „Allenfalls kommt es dazu, längere Wege in Kauf nehmen zu müssen“, erläuterte Herder. Außerdem werden Schulhof undFlüchtlingsunterkunft wieder räumlich getrennt, wie es während der Flüchtlingskrise 2015/2016 der Fall gewesen war. Ferner wird erneut ein 24h-Betreuungs- und Sicherheitsdienst eingesetzt werden.
 
Leise Kritik des Dezernenten
 
Die Stadt ist Herder zufolge vom Weltgeschehen und von politischen Entscheidungen auf Bundes- sowie Landesebene abhängig. Die Ressourcen der Stadt seien ebenso endlich wie das Verständnis der Bürger, klang Kritik an – zumal nun auch Erdbebenopfer nachreisen dürften. „Wir sind die Letzten in der ‚Nahrungskette‘, aber wir möchten“, so der Bildungs- und Sozialdezernent weiter, „die uns von Bund und Land anvertrauten Menschen angemessen unterbringen“. Eine Zeltstadt im Winter lehne er daher ab. Und es bleibe das Ziel, Flüchtlinge möglichst dezentral im gesamten Stadtgebiet unterzubekommen.
 
Alternativen und Lösungsansätze im Blickfeld
 
Mehrere Ansätze werden verfolgt, um relativ schnell Kapazitäten außerhalb einer Schulturnhalle zu schaffen: Ein Appell, der Stadt Wohnraum zu vermieten sowie erweiterte Containeranlagen am Motorpool beziehungsweise bis zum Bau der Feuerwache auch auf dem Salamandergelände.
 
Gemeinsam mit Patrik Eichhorn seitens des Immobilienmanagements der Stadt Worms skizzierte Herder Gründe für die „beste aller schlechten Lösungen“: Sie sei schnell verfügbar, biete ausreichend sanitäre Anlagen in Quantität und Qualität, biete Platz für einen Gemeinschaftsraum sowie einen Kücheneinbau nach dem bewährten Modell 2015 und die Unterkunft könne zum Schulhof hin abgetrennt werden. 
 
„Es wurden auch leerstehende Objekte geprüft“, merkte Herder an. Das Hochstift befinde sich allerdings im Rohbauzustand und sei wegen mangelnden Brandschutzes geschlossen worden. Eine Sanierung würe lange dauern. Ähnliches gelte für das ehemalige Gesundheitsamt. „Dort fehlt es an Abwasser, Brandschutz, Strom und Wasser.“
 
Sorgen und Kritik der Bürger
 
Später am Abend stellte sich die Stadt dann mit Oberbürgermeister Adolf Kessel an der Spitze in Heppenheim an der Wiese den Fragen der Bürgerinnen und Bürger. Dass die Kinder mit Corona schon viel mitmachen mussten und zudem unter einem Lehrermangel litten, beklagte der Schulelternbeirat. Wenig erfreut zeigte man sich darüber, dass der Schulhof bald nicht mehr vollständig zur Verfügung stehen und der Sportunterricht beeinträchtigt werde. Des Weiteren sprachen Bürgerinnen und Bürger Sicherheitsbedenken an.
 
„Heppenheim ist alles andere als froh“, so Ortsvorsteher Alexandros Stefikos, „dass unsere Grundschule wieder herhalten muss“. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass beim vergangenen Mal im Grunde alles gut geklappt habe. Darauf hoffe er auch diesmal. Er werde den Arbeitskreis Asyl wieder ins Leben rufen und auch wieder großen Wert auf eine ausgewogene Information der Bürger setzen, um Gerüchten und sogenannten Fake News den Nährboden zu entziehen. Außerdem hoffe er, dass sich abermals ein großer Helferkreis bilde, auf dass ein integratives Miteinander entstehe – und natürlich, dass die Schulturnhalle möglichst nur kurz als Puffer benötigt werde.