Foto: Claudia Weisstert

Seit diesem Wochenende zeigen das Museum der Stadt Worms im Andreasstift sowie das Museum Heylshof in der Sonderausstellung „Zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Die Bilderwelt des Malers Leonhard Sandrock (1867-1945)“ Gemälde des impressionistischen Künstlers, der auf einzigartige Weise die Welt der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einfing – eine Welt, die sich in weniger als einem Jahrhundert radikal verändert hatte. Auch für die Stadt Worms war diese Zeit sehr prägend. Deshalb ergänzt eine kleine Magazinausstellung mit dem Titel „Worms unter Volldampf: Motive einer Stadt im Industriezeitalter“ die Sonderausstellung und ermöglicht den Besuchern spannende Einblicke in das Stadtbild von Worms in der Mitte des 20. Jahrhunderts.

Das Œuvre des Malers Leonhard Sandrock (geb. 1867 Neumarkt/Schlesien, gest. 1945 Berlin) steht in der Tradition der impressionistischen Freilichtmalerei der Schule von Barbizon, für die Kontraste von Licht, Schatten und Farbe als bildkonstituierend sind. Anders als bei den meisten Impressionisten finden sich in Sandrocks Werk jedoch nur wenige Landschaftsansichten, vielmehr dominieren Industriedarstellungen. Den Veränderungen seiner Zeit begegnete Sandrock mit wachem Auge und kraftvollem Pinsel, mit dem er Ansichten von schwerer körperlicher Arbeit und gewaltigen Maschinen in energiereichen breiten Strichen festhielt. Neben Landschaft und Maschinen verschwimmt der Einzelne in Sandrocks Gemälden häufig oder schrumpft zu einer „fleißigen Ameise“: Wichtiger als die – oft kaum erkennbaren – Gesichter der Menschen ist ihre Arbeit und ihre Einbettung in die Umgebung. In den qualmenden Dampfern und rußenden Öfen sah Sandrock aber nicht nur schmutzig-graue Monotonie, sondern setzte oft auch leuchtende Farbflecken ins Bild, die den Betrachter in ihren Bann ziehen: Der glühende Stahl im Hochofen, der weiße Rauch einer Lokomotive, eine Tür, die gerade knallgelb lackiert wird. Diese lebendige Bilderwelt wird nun in Worms an zwei Ausstellungsorten sichtbar.

Ausstellung im Museum der Stadt Worms im Andreasstift

Bis zum 30. März 2025 zeigt das Museum der Stadt Worms im Andreasstift Motive der Moderne, die reizvoll mit der mittelalterlichen Architektur des Gebäudes kontrastieren: Die „neuen Landschaften“ werden bestimmt von Stahl, Rauch und Funken und erzeugen eine eigene Poesie durch imponierende Dampfrösser und volle Güterwaggons, in den Lichtern von Zügen und Signalanlagen, im Gleisgewirr der Bahnhöfe, im Feuer der Fabriköfen, im Funkenflug der Brennschneider und in Skylines aus Fabrikschornsteinen und Gasometern. In zahlreichen Werken offenbart sich eine immer stärker vernetzte und schneller werdende Welt, die von neuen Kräften aus Feuer und Dampf geformt wird.

Ergänzt wird die Sonderausstellung mit einer Magazinausstellung aus der Gemäldegalerie des Museums Andreasstift mit dem Titel „Worms unter Volldampf: Motive einer Stadt im Industriezeitalter“. Die konzentrierte Zusammenstellung in der zweiten Hälfte des Weißen Saals und im Kabinett (Sitzungszimmer des Altertumsvereins) gibt Einblicke in die Perspektiven vieler verschiedener Künstler aus Worms und dem Rhein-Main-Gebiet, die die Stadt in einer Zeit der Umbrüche festgehalten haben – jeder in seinem eigenen Stil. Zu den Motiven gehören die Eisenbahn, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Worms Einzug hielt, die für die Stadtentwicklung enorm wichtigen Lederfabriken der Firmen Heyl sowie Doerr & Reinhart, die auf dem Rhein verkehrenden Dampfschiffe, die nach und nach entstandenen Hafenbauten und die markante Nibelungenbrücke – vor ihrer Zerstörung wie auch während und nach dem Wiederaufbau. Dabei finden sich nebeneinander zarte Aquarelle, detailreiche Lithographien, kräftige Ölbilder und dynamische Kohlezeichnungen. Die 20 ausgestellten Bilder werfen Schlaglichter auf große und kleine Wahrzeichen und fangen eine Welt ein, die denen, die das heutige Worms kennen, teils vertraut und teils fremd erscheinen mag: „Dieser Exkurs bietet einen seltenen Einblick in die sonst verborgene Gemäldegalerie des Museums der Stadt Worms im Andreasstift und wir möchten damit auch die Vielfältigkeit unserer Sammlung zeigen“, so der wissenschaftliche Leiter Dr. Olaf Mückain. Der Schwerpunkt der ausgestellten Werke liegt hierbei auf der Zeit um die Jahrhundertwende bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts und deckt sich so mit der Schaffenszeit von Leonhard Sandrock.

Ausstellung im Museum Heylshof

Im Museum Heylshof dagegen sind vom 16. November bis 30. Dezember sowie nach der Winterpause dann wieder vom 25. Februar bis zum 30. März 2025 vor allem „Seestücke“ von Leonhard Sandrock zu finden: Vollgetakelte Segelschiffe und kleine Fischkutter schaukeln auf hoher See neben qualmenden Überseedampfern und waffenstarrenden Kriegsschiffen, während man in Hafenansichten von Nordsee, Ostsee und Mittelmeer betriebsame Hafenarbeiter und Fischer neben der in leuchtenden Farben herausgeputzten „High Society“ der Seebäder finden kann. Mit nur wenigen, gekonnten Strichen entsteht ein Spiel von Lichtreflexionen und Schaumkronen in den Wellen unter der Farben- und Formenvielfalt der Wolken. Die Naturelemente umrahmen die menschliche Lebens- und Arbeitswelt am Meer zwischen Hafen und Hochsee. Die allmählich schwindende Welt des Segelantriebs und die immer leistungsfähigeren Dampfschiffe finden sich hier genauso wieder wie das Hochrüsten der Deutschen Marine am Vorabend des Ersten Weltkriegs.

Die Sonderausstellung entstand in Kooperation mit dem Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst (BLMK) unter der Leitung von Ulrike Kremeier. Das 1927 gebaute Dieselkraftwerk in Cottbus ist ein zum modernen Kunstmuseum umgebautes Architektur- und Industriedenkmal und bildete in diesem Frühjahr die erste Ausstellungsstation der in Worms leicht verändert gezeigten Sandrock-Schau. Gerade die der Schwerindustrie und dem Transportwesen gewidmeten Bilder des Spätimpressionisten fanden in dem neusachlich bis expressionistisch geprägten Industriebau einen wirkungsvollen Rahmen. Ein unter der Federführung des BLMK für beide Ausstellungen in Cottbus und Worms erstellter Ausstellungskatalog erscheint in Kürze.

Service: Führungen, Öffnungszeiten & Eintrittspreise

Museum der Stadt Worms im Andreasstift

16.11.2024-30.03.2025

Di-So und Feiertage: 11-17 Uhr

geschlossen am 24./25./31.12.24 und am 1.1.25

Erwachsene 7,- €, ermäßigt 5,- € (inkl. Zugang zur Dauerausstellung!)

Öffentliche Führungen am 28.11., 30.01. und 27.02. jeweils um 17 Uhr, am 30.03. um 11 Uhr.
Tickets sind an der Museumskasse erhältlich. Kosten: Eintritt zzgl. 3,00 € Führungspauschale.

Weitere Informationen unter: www.museum-andreasstift.de

Gruppenangebote auf Anfrage: 06241-8534101/-4102 oder museum@worms.de

Museum Heylshof

16.11.-30.12.2024 & 25.02.-30.03.2025

Di-Sa: 14-17 Uhr, So und Feiertage:11-17 Uhr

Erwachsene 5,- €, ermäßigt 2,- € (inkl. Zugang zur Dauerausstellung)

Jeden 1. Sonntag im Monat Eintritt frei!

Informationen zum Rahmenprogramm im Museum Heylshof findet man unter: www.heylshof.de.

Gruppenangebote und Sonderöffnungszeiten auf Anfrage: 0179-6939074 oder mj.sfelden@mail.de

Mit freundlicher Unterstützung durch Sabatier Galerie und Kunsthandel, Velden.